Man muss nicht mit allem rechnen

In einem Seminarhotel war ich zu Gast, um den abschließenden Teil der Ausbildung zum Meditations- Kursleiter zu absolvieren. An der Rezeption erhielt ich den Schlüssel für Zimmer 7. Ich brachte mein Gepäck in das Zimmer und ging in den Speiseraum, um eine Begrüßungssuppe zu essen. Als ich zu Zimmer 7 zurückkehrte, stand eine Frau, die ich bereits aus dem vorhergehenden Kursblock kannte, vor meinem Zimmer, und sie versuchte, die Tür aufzuschließen. Ich begrüßte sie und sagte: “Lena (Name geändert), das ist mein Zimmer.” Ihre spontane Reaktion ließ mich schon lächeln: “Ach, haben wir gemeinsam ein Zimmer?” “Nein, das glaube ich nicht.” Es trat Schweigen ein. Dann schaute Lena auf ihren Zimmerschlüssel: 106! “Ach,” sagte Lena, “ich habe die Zahlen zusammen gezählt - die Quersumme errechnet.” Es ist schon witzig, was für Fehlleistungen wir mit unserem Gehirn so manches Mal vollbringen. Und sicherlich bemerken wir es in den meisten Fällen gar nicht. Viele Menschen rechnen mit Allem ... zumindest mit dem Schlimmsten. Sie bemühen sich, bereits im Vorfeld zu erkennen, was kommen mag und malen sich dabei eine Katastrophe nach der anderen aus. Das schlägt mächtig aufs Gemüt. Das bringt Unsicherheit oder gar Angst. Oft vernachlässigen sie dabei, dass es noch weitere Möglichkeiten gibt, dass zum Beispiel die Situation vielleicht gar nicht eintritt oder dass sie ja auch einen guten Ausgang finden könnte. Sie glauben, mit Allem zu rechnen, konzentrieren sich dabei aber nur auf das, was sie nicht erfahren möchten. L. A. Seneca sagt: “Es ist wirklich töricht, heute unglücklich zu sein, weil man in der Zukunft unglücklich sein könnte.” Und meine Mutter pflegte immer zu sagen: “Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.” Wer wirklich mit Allem rechnen möchte, sollte das Projekt unverzüglich in die Tonne kloppen, denn dieses Alles ist unberechenbar und keineswegs zu fassen. Und dennoch ist es möglich, diesem Allem zu begegnen. Doch nur durch absolute(!) Offenheit für alles(!!!), was kommt. Der Dalai Lama fasst das in einem Satz zusammen: “Nichts ist entspannter, als das anzunehmen, was kommt.”
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